Die Autorenlesung 2017 führte eine Lyrikerin von internationalem Rang an die Schule: Zum zweiten Mal nach 2009 las Anja Utler aus ihren Werken. Das war keine einfache Kost. Aber dazu ist Literatur ja auch nicht unbedingt da. Raja gibt Eindrücke aus einer der drei Lesungen wieder.
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Bereits in der letzten Stunde vor dem Vortrag der Lyrikerin Anja Utler an unserer Schule warnte Herr Siebauer unseren Deutsch-Kurs: „Das wird verstörend.“. Und einfach gesagt; das wurde es auch. Doch es wäre zu simpel dieses Satz als Fazit stehen zu lassen.
Anja Utler ist eine international bekannte Dichterin und Literaturwissenschaftlerin und übersetzt Texte aus dem Englischen und Russischen. Ihre eigenen Gedichte wurden in 20 Sprachen übersetzt und sie erhielt für ihr innovatives Schreiben zahlreiche bedeutende Auszeichnungen und Anerkennungen.
Zunächst legte Anja Utler ihre Definition für Gedichte und den Sinn der Lyrik dar. Vermeiden möchte sie die Distanz zwischen Realität und Sprache. Bevor die Dichterin die Lesung begann, einige Hinweise: Wir Schüler sollen uns einfach darauf einlassen, es wird ungewohnt und wahrscheinlich an einigen Stellen unverständlich. Um offene Fragen oder Anregungen loszuwerden sollte am Ende Zeit sein. Die Lyrikerin wirkte locker und verständnisvoll als sie zu gab, dass nicht jeder etwas mit dieser Art von Kunst anfangen kann. Jeder, so Anja Utler, sieht Gedichte anders und hat andere Bedürfnisse an Kunst und Gestaltung.
Daraufhin ging es los, ganz ohne Erwartungen. Und ohne Denken, wie die Lyrikerin uns zuvor geraten hatte. Erst nach der Wirkung von Emotionen und Bildern sollte die Reflexion folgen.
Das erste Gedicht handelte von Marsyas und Apollon; nach gewonnenem Musikwettstreit gehörte der Unterlegene Satyr dem Gott Apollon. Sein Wunsch war es, Marsyas die Haut abzuziehen. Klingt, wie auch Anja Utler es formulierte, sehr verstörend. Das Gedicht blüht vor Lautmalereien; Ausdrücke wie „uff“ oder „tss“ unterstreichen das Geschehen, hinzu kommen klangstarke Wörter. Mit dem Gedicht soll keine Geschichte erzählt werden, sondern das Erlebnis lebendig gemacht werden. Ihre Lyrik wirkt bildhaft, zum Teil auch ekelig, vermittelt eine gewisse Stimmung, nicht zuletzt durch das ausdrucksstarke Vortragen.
Zur zweiten Lesung wurde Anja Utler von bereits aufgenommenen Stimmen begleitet. In einer Rezitation aus dem Buch „brinnen“ sollte es nicht unbedingt um den Inhalt gehen; vielmehr wirkte das Gehörte wie ein Einblick in dahinschwebende und sich immer wieder wiederholende aber auch neu aufkommende Gedanken eines Menschen. Von Bedeutung wären, so die Lyrikerin, nicht das Verständnis, sonders die Struktur, die Gestaltung, die Wirkung.
Nach der Lesung herrschte zunächst Sprachlosigkeit im Publikum, zum Teil Überforderung, Überraschung und Verwirrung zwischen den Schülern. Ziel ihrer Werke sei jeweils genau das, was es in uns auslöst, egal, was es ist, erklärt Frau Utler auf eine Schülerfrage.
Meiner Meinung nach war dies ein gelungenes Treffen mit moderner Lyrik. Deutlich wurde, was alles möglich ist, sowie, dass Lyrik eben nicht nur Goethe oder Eichendorff bedeutet. Wie viel die Werke von Anja Utler einem selbst „bringen“, muss jeder für sich wissen. Die Dichtkunst bleibt eine Kunst; man kann sie mögen, und nicht mögen.
Raja Müller (Q11)